Digitale Transformation in der Praxis: Schritt #2 Der Perspektivenwechsel

02. Sep 2022  ─  von Jolanda Brühwiler  ─  Digitalisierung, Allgemeines

Künstler hauchen ihren Bilder, Skulpturen und anderen Objekten Leben ein. Wir erwecken in der digitalen Transformation neue Geschäftsmodelle und Prozessoptimierungen zum Leben. Durch Perspektivenwechsel und Ideen, wie Sie die digitale Transformation angehen und umsetzen können und zugleich Ihr Kerngeschäft zukunftssicher machen. Wenn Sie den ersten Schritt erledigt haben, sind Sie gut darauf vorbereitet und können den nächsten Schritt in Angriff nehmen.

Digitale Transformation Praxistipps
In 5 Schritten zur digitalen Transformation

Die Schritt für Schritt Vorgehensweise hat den Vorteil, dass in erster Linie der Fokus auf wirtschaftlichen Erfolg und zusätzlichen Kundennutzen gelegt wird und sich die Kosten in Grenzen halten. Für viele KMU entsteht sonst ein finanzieller Aufwand, der zum Leidwesen der Effektivität und des langfristigen Wachstums zusammengestrichen wird. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Abteilungen in den Unternehmen bei der digitalen Transformation den Fokus auf ihre eigenen Bedürfnisse legen, Teilbereiche nach «alter Manier» digitalisieren wollen und dadurch den Blick für’s grosse Ganze verlieren.

Die Verkaufsabteilung beispielsweise wünscht sich eine tiefere Datenanalyse und Investitionen in aussagekräftige Dashboards, die IT in mehr cloudbasierte Lösungen und das Marketing finanzielle Mittel für digitale Kanäle und Automatisierungssoftware für Ihre Aktionen. Das ist stark abstrahiert und verallgemeinert, zeigt aber gleichzeitig auf, warum der Fokus wie im ersten Schritt beschrieben, zuerst auf die Vogelperspektive und nicht die einzelnen Abteilungen gelegt werden sollte.

Kundenfokus

Für den zweiten Schritt rücken die Kunden in den Mittelpunkt. Sie spielen in diesem Akt die Hauptdarsteller und erhalten die volle Aufmerksamkeit. Deshalb stellen Sie sich diese Frage:

Was, wenn…

…ich selbst Kunde von meinem Unternehmen wäre? Versetzen Sie sich in die Lage eines oder mehrerer Ihrer Kunden, die das in Schritt 1 ausgewählte Produkte oder die Dienstleistung bei Ihnen einkaufen. Was würden Sie sich wünschen? Was wären für Sie ein oder mehrere konkrete Zusatznutzen, Erleichterungen und Argumente, um weiter bei Ihnen einzukaufen oder sogar noch mehr zu beziehen.

Und die Kunden?

Ihre Wunschliste als eigener Kunde ist fertig. Sprechen Sie nun mit den effektiven Kunden, holen Sie deren Bedürfnisse vor Ort oder telefonisch ein und fragen Sie die Kunden auch, warum sie diese Bedürfnisse/Wünsche haben. Das gibt Ihnen viel Aufschluss und zusätzliche Inputs für Ihre digitale Strategie respektive Transformation. Ein angenehmer Nebeneffekt: Ihre Kunden fühlen sich ernstgenommen und wichtig, können Ihre Anliegen an konkreter Stelle platzieren und wissen, dass Sie als Unternehmen auf dem Weg sind, die Situation zu ändern.

Ergänzen Sie die Informationen auf Ihrer eigenen Liste, bei der Sie die Sicht des Kunden eingenommen haben. Das ist nicht nur ein spannendes Experiment, weil Sie die Eigen- und Fremdwahrnehmung reflektieren können, sondern weil sich dadurch die Möglichkeiten neuer Geschäftspotenziale und Transformationsprozesse erweitern. Oft ergeben sich neue Businessideen- und modelle – zumindest im Kopf – schon bei den Gesprächen und beim Niederschreiben der Bedürfnisse.

Nehmen Sie sich Zeit dafür, lassen Sie auch Ihre Sales-Crew und je nach Firmenorganisation andere Abteilungsleitende an diesem Prozess partizipieren. Denn gemäss Studien und aktuellen Beispielen aus der Wirtschaft scheitern Digital-Projekte vor allem, weil der Kundenorientierung vor lauter «Must go digital» zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Entfliehen Sie dieser Falle, indem Sie den Kunden in den Mittelpunkt stellen und erst dann die dazugehörenden Datenströme und Prozesse unter die Lupe nehmen und nicht umgekehrt. Sie können Prozesse digitalisieren und optimieren so viel Sie wollen. Wenn dadurch die Kundenbedürfnisse nicht erfüllt und die Effektivität nicht erhöht werden, führt dies im wahrsten Sinne des Wortes in eine Sackgasse.

Warmlaufen mit Beispielen

Zur Veranschaulichung tauchen wir in zwei Beispiel-Unternehmen ein und zeigen mögliche Kundenwünsche auf.  

Unternehmen 1*:
Nehmen wir an, Sie sind ein Unternehmen, das Kältemittel und Komponenten vertreibt sowie zusätzliche Dienst- und Serviceleistungen in den Bereichen Anlagenbau und Umrüstung anbietet. Ihr Vertriebskanal ist ausschliesslich direkt an Ihre B2B Klientel, die das Produkt für verschiedenste Zwecke benötigt. Auf Baustellen, bei Lebensmittelgrosshändler, in Autogaragen für Autoklimaanlagen, bei Transporteuren für Tiefkühlfahrzeuge etc. Das Geschäft läuft gut und Sie wollen wie viele Unternehmen, aus Effizienzgründen Prozesse digitalisieren und automatisieren. Zudem möchten Sie Neukunden gewinnen und diese über Zusatznutzen abholen, die nicht nur Ihnen, sondern auch dem Kunden finanzielle Vorteile bieten.

Ihr Fokusprodukt sind Kältemittel in abgefüllten Zylindern, bei denen Kunden zusätzlich für die Einsatzdauer Miete bezahlen und aktuell bei Ihnen im Zentrallager oder an Aussenstellen abholen können. Einige Kunden haben selbst ein kleines Lager bei sich vor Ort.

Mögliche Kundenwünsche:

  • In Realtime Übersicht aller sich im Einsatz befindenden Zylinder inkl. Ortsangabe
  • Bezahlung nur nach Verbrauch
  • Abholung 24/7/365 an ortsnahen Stellen
  • Kein Papierkram beim Abholen der Zylinder

*Firmenbeschrieb und Kundenwünsche sind nicht abschliessend und dienen hier zur Veranschaulichung. Bei Produktionsbetrieben können dies kürzere Lieferzeiten sein, ein Online-Tool zur Kostenberechnung etc.   

Unternehmen 2*:
In diesem Beispiel schlüpfen wir in die Schuhe eines Unternehmens, das auf Datenerhebungen, Ausschreibungen und Dienstleistungen rund um Facility Management inklusive Beschaffung, Wartung und Qualitätsmanagement spezialisiert ist. Vor allem die Datenerhebung und -erfassung sowie die Datenpflege bei Änderungen wie beispielsweise neuen Räumlichkeiten, Umnutzungen, veränderter Umgebung oder Fläche etc. sind gross und werden in aufwändig programmierten Excel Daten- und Kalkulationssheets eingepflegt und geändert. Zudem wird von der Auftraggeberin oft vergessen, Änderungen zu melden, damit der IST-Zustand laufend aktualisiert werden kann. Diese Versäumnisse führen bei Neuausschreibung von Leistungen zu unnötigem Mehraufwand, entsprechenden Kosten und erheblichem Zeitaufwand.

Mögliche Kundenwünsche:

  • Daten online selbst erfassen/ändern/anpassen
  • Bei der Beschaffung von Leistungen verlässliche und partnerschaftliche Grundlagen schaffen
  • Datenaustausch über die gesamte Vertragslaufzeit zwischen Auftraggeberin und Auftragnehmerin

*Firmenbeschrieb und Kundenwünsche sind nicht abschliessend und dienen hier zur Veranschaulichung. Bei beiden Beispielen brachten die Bedürfnisse seitens Kunden und Unternehmen im Zuge der digitalen Transformation neue, erfolgreiche Geschäftsmodelle hervor.

Fassen wir zusammen

Mit Schritt 1 (Vogelperspektive) und Schritt 2 (Perspektivenwechsel) haben Sie einen grossen Teil der digitalen Transformation in Angriff genommen. Die erstellten Dokumente sind zugleich eine Stütze bei der Evaluation der geeigneten Software oder des Umsetzungspartners.

Setzen Sie im zweiten Schritt folgende Massnahmen um: 

  1. Versetzen Sie sich in die Lage der Kunden und finden Sie deren Bedürfnisse und Sorgen heraus
  2. Kontaktieren Sie Ihre Kunden persönlich und fragen mit ehrlichem Interesse nach
  3. Involvieren Sie den Verkaufsinnen- und aussendienst und erfragen oder besprechen Sie im Team weitere Kundenbedürfnisse und gegebenenfalls auch Reklamationen. Das sind meist unerfüllte Kundenwünsche und Sorgen, die ebenfalls Bedürfnisse sind. Auch generieren Sie damit Verständnis bei den Mitarbeitenden für effektives Handeln und fangen mögliche Widerstände bei der Umsetzung frühzeitig auf.
  4. Notieren Sie alles und fassen Sie die grössten Wünsche zusammen, sodass Sie später aus den Erkenntnissen strategisch vorgehen können.

In nächsten Artikel betrachten wir die analogen und digitalen Datenströme, sodass neuen Businessmodellen und Prozessen das digitale Leben eingehaucht werden kann.


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